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TOLERANZ

Neben und miteinander

Die ganze Stadt im Blick
Altona weiter vorn

Gabi Dobusch

Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft

Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen

Jede vierte Frau in Deutschland erfährt Schätzungen zufolge körperliche Gewalt. Wie die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgelegte Studie "Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen" aufzeigt, ist Gewalt gegen Frauen dabei kein Problem sozialer Brennpunkte, sondern findet in allen gesellschaftlichen Schichten statt.
Nicht nur die Fallzahlen, sondern auch die Intensität der Erlebnisse und die persönliche Dramatik für das Leben und die Gesundheit der Betroffenen müssen die Stadt veranlassen, ein Maßnahmennetz zu knüpfen, das den vielfältigen Problemlagen bei Prävention und Reaktion gewachsen ist.
Hamburg benötigt - wie in vielen anderen Bundesländern längst Realität - einen eigenen Landesaktionsplan zur Bekämpfung gegen Gewalt an Frauen. Inhalte lassen sich nur dann klar transportieren, wenn konkret benannt wird, wofür ein Landesaktionsplan auch steht. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hatte sich daher bereits in der letzten Legislatur für die Erarbeitung eines eigenen Landesaktionsplanes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen eingesetzt (vgl. Drs. 19/3282) und eine Vielzahl von Punkten aufgeführt, um der Gewalt gegen Frauen noch wirksamer zu begegnen.
Der Senat hat sich in seinem Arbeitsprogramm die Entwicklung eines "Landesaktionsplans Gewalt gegen Frauen" vorgenommen. Zudem hat die Hamburgische Bürgerschaft im August 2011 einstimmig einen SPD-Antrag zur verlässlichen Finanzierung und Weiterentwicklung der Hamburger Frauenhäuser beschlossen (vgl. Drs. 20/1218). Die niedrigschwellige Finanzierungsstruktur der Frauenhäuser soll dauerhaft beibehalten werden. Der Senat wurde ersucht, bis Mitte 2012 einen Bericht über die Situation der Hamburger Frauenhäuser vorzulegen.
In dem 2007 vorgelegten und 2010 fortgeschriebenen "Landesaktionsplan Opferschutz" sind wesentliche Handlungsfelder benannt (vgl. Drs. 19/8135), so unter anderem die Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen, Zwangsheirat, Gewalt gegen junge volljährige Frauen aus traditionell-patriarchalischen Familien, Genitalverstümmelungen, Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung oder die sexualisierte Gewalt.
Aufgabe des Landesaktionsplans Gewalt gegen Frauen ist es im Sinne eines spezifischen Aktionsplans der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Frauen überproportional häufig Gewalterfahrungen machen und bestimmte Gewaltformen eine deutlich geschlechtsspezifische Ausprägung haben. Der Landesaktionsplan Gewalt gegen Frauen soll Hilfen für Frauen, die Opfer von Gewalt werden, gebündelt darstellen und Vorschläge zu ihrer Behebung formulieren. Der Bereich häusliche Gewalt soll, obwohl in überwiegender Zahl Frauen betroffen sind, geschlechterdifferenziert betrachtet werden.
Durch eine bessere Verzahnung der Aktivitäten, mehr Kooperation im System, Transparenz und einer verbesserten Ausgangslagenbeschreibung kann der Schutz von Frauen vor Gewalt, die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt auch unter den Haushaltsbedingungen der Schuldenbremse 2020 verbessert und damit das Menschenrecht auf ein freies Leben ohne Gewalt für die in Hamburg lebenden Frauen durchgesetzt werden.

Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:
Der Senat wird ersucht,
1. bis Mitte 2013 einen Hamburger Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen vorzulegen, mit dem
a) Defizite in der Ausgangslagenbeschreibung benannt und Wege zu ihrer Verbesserung aufgezeigt werden,
b) Faktoren identifiziert werden, die sich förderlich auf den Schutz von Frauen vor Gewalt auswirken,
c) Instrumente benannt werden, um im Bereich der Prävention und des Opferschutzes Fortschritte zu erzielen,
d) konkrete und messbare Ziele für die kommenden Jahre sowie ein regelmäßiger Aktualisierungs- und Berichtsturnus festgelegt werden.
2. für die Erarbeitung und Umsetzung des Landesaktionsplans eine Lenkungsgruppe auf Staatsräteebene einzurichten, um ein Controlling der im Aktionsplan vorgesehene Maßnahmen zu gewährleisten. Die Prozessverantwortung muss verbindlich festgelegt werden.
3. zur Erarbeitung des Landesaktionsplans mit den betroffenen Behörden Work-shops durchzuführen, um bisherige Aktivitäten zu bewerten, Handlungsdefizite zu identifizieren und um sich auf das Wesentliche im Hinblick auf die Ziele und wirkungsorientierte Maßnahmen zu verständigen. Die Ergebnisse fließen in die Erarbeitung des Landesaktionsplans ein.
4. die Fachöffentlichkeit im Rahmen einer Auftaktveranstaltung zum Opferschutz unter Beteiligung der aktiven Träger und des Landesfrauenrats in die Erarbeitung des Landesaktionsplans einzubeziehen.
5. bei der Erarbeitung des Landesaktionsplans insbesondere folgende Punkte zu berücksichtigen:
a) Die Vernetzung zwischen zuständigen Behörden und Trägern soll gemeinsam mit allen betroffenen Akteuren durch die Überprüfung der bisher bestehenden Kooperationsstrukturen verbessert und effektiver werden. Hierbei ist die Beteiligung der betroffenen Behörden verbindlicher als bisher zu regeln.
b) Im Interesse von mehr Transparenz soll das Hamburger Informationsangebot im Internet unter anderem durch Schlagwortoptimierung und Verlinkung optimiert werden. Die Auffindbarkeit von Ansprechpartnerinnen/ Ansprechpartnern und Hilfestellungen für Betroffene soll auf diese Wiese deutlich verbessert werden.
c) Der Landesaktionsplan selbst, sowie die aus ihm abgeleiteten Maßnahmen sollen sowohl die interkulturellen Dimensionen berücksichtigen als auch dem Leitgedanken der Inklusion entsprechen. Hierzu ist der Integrationsbeirat verbindlich in die Entwicklung des Landesaktionsplans einzubeziehen. Gleiches gilt für die Senatskoordinatorin für Menschen mit Behinderung und die Landesarbeitsgemeinschaft behinderter Menschen.
d) Eine Workplace Policy soll als Instrument der Personalpolitik in den Hamburger Behörden und öffentlichen Unternehmen implementiert werden, um häusliche Gewalt und ihre Auswirkungen am Arbeitsplatz in den Fokus zu nehmen. Hierbei sollen auch die Kammern als Bündnispartner für Werbung in der Privatwirtschaft gewonnen werden.
e) Integration in das Arbeitsleben, Erwerbstätigkeit und eigenes Einkommen sind wichtige Faktoren, um Unabhängigkeit, Selbstständigkeit und soziale Integration zu sichern. Gute Arbeit fördert ein selbstbestimmtes freies Leben ohne Gewalt. Gewalterfahrungen führen andererseits häufig zu Schul- und Ausbildungsabbrüchen und stellen für die Betroffenen ein ernst zu nehmendes Hindernis für die Integration in das Arbeitsleben dar.
1. Die Akteure der Hamburger Arbeitsmarktpolitik auf der einen Seite und die Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen auf der anderen Seite sollten für diese Zusammenhänge sensibilisiert und die Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung daraufhin überprüft werden, ob und wie gewaltbetroffenen Personen geholfen werden kann.
2. Die Jugendberufsagenturen sollten für gewaltbedingte Hemmnisse für die berufliche Eingliederung junger Menschen besonders sensibilisiert werden.
f) Die Frauenhäuser sind in den Landesaktionsplan einzubeziehen; insbesondere die Ergebnisse des Bürgerschafts-Beschlusses aus der Drs. 20/1218. Die Zusammenarbeit mit Schleswig-Holstein soll ausgebaut werden. Die lange Verweildauer von Frauen und Kindern in den Frauenhäusern muss, soweit sie durch Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche bedingt ist, verkürzt werden. Hierzu sind noch im Jahr 2012 wirksame Maßnahmen zu ergreifen.
g) Die Qualifizierung und Fortbildung zu unterschiedlichen Gewaltbereichen (Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratung, Häusliche Gewalt) soll verstärkt werden.
h) Für einen dauerhaften Schutz von Frauen soll die Täterarbeit überprüft und gegebenenfalls neu geordnet werden. Neue insbesondere kultursensible Strategien sind hier über den Bereich der häuslichen Gewalt hinaus auch für andere Gewaltformen wie Stalking, Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung zu entwickeln.
i) Die psychosoziale Prozessbegleitung soll verbessert werden.

Antrag

Hamburgische Bürgerschaft
09.05.2012

Von den Abgeordneten:
Kazim Abaci, Ksenija Bekeris, Gabi Dobusch, Regina Jäck, Annkathrin Kammeyer, Dirk Kienscherf, Uwe Lohmann, Doris Müller, Barbara Nitruch, Wolfgang Rose, Jens-Peter Schwieger, Ali Simsek, Sabine Steppat



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